Dienstag, 13. November 2012

Weiterbildung nach Beck'sche Art - erläutert am Beispiel Satzbereich

Es ist zwar schon eine Weile her, sollte deswegen aber nicht in Vergessenheit geraten: Rufen wir uns also das Zauberwort Kompetenzscan in Erinnerung.

Im Frühjahr 2011 wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Satz vor die Wahl gestellt:
Entweder Teilnahme am sog. Kompetenzscan oder Ausschluss von Weiterbildungsprogrammen. Betroffen waren Kolleginnen und Kollegen mit einer Schriftsetzerausbildung und angelernte Kräfte, ausgenommen waren die Führungskräfte, Korrektoren und natürlich die Mediengestalter (weil fachlich auf dem Laufenden).
Grund der Aktion war so eine Art Ausbildungsbedarfsermittlung.

Motto: Wir machen uns fit für den Wettbewerb!

Ziel: Bei uns kann JEDER ALLES!

Die Idee stieß bei den Betroffenen auf wenig Gegenliebe, die meisten waren verunsichert und stellten die große Sinnfrage. Um der aufkommenden Panik Einhalt zu gebieten, wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einer Infoveranstaltung geladen. Abteilungsleitung und Geschäftsleitung erklärten Sinn und Zweck dieses Kompetenzscans (der Begriff war übrigens Anwärter auf das Beck'sche Unwort des Jahres, wurde allerdings dann vom Wort „Ergänzungsverträge“ auf Platz 2 verdrängt).

Anwesend waren auch Mitarbeiter der Firma Bayerndruck aus Ismaning, die sowohl die Durchführung des Tests als auch die darauffolgenden Schulungen übernahmen. Ihre Aufgabe war es, die Kollegen zu beruhigen, ihnen die Angst zu nehmen und ihnen klarzumachen, dass das die Chance schlechthin für jeden einzelnen wäre, nämlich die Chance, festzustellen, was er kann und was nicht.

Und da das ja eine Infoveranstaltung und keine Umfrage war, wurde der Test also durchgezogen. Ruck-zuck, so schnell konnte gar keiner gucken.
In dem Test wurden Fragen gestellt, wie sie auch in der Prüfung zum Mediengestalter auftauchen. Schön und gut, nur nützt es relativ wenig, wenn man im Beck'sche Alltag mit ein oder zwei Programmen arbeitet und die anderen fünf Programme nur vom Hörensagen kennt. Das Ergebnis war zwar nicht überraschend, aber für viele trotzdem niederschmetternd.

Der Scan erinnerte eher an eine „peinlichen Befragung“. Nein, keine Folter, zumindest nicht physisch, aber peinlich insofern, dass gute Arbeiter feststellen mussten, dass sie scheinbar keine Ahnung von ihrem Beruf haben.
Nun muss man erwähnen, dass die Befragten in vielen Fällen nur raten konnten, was der Interviewer eigentlich von ihnen wissen wollte, denn mit den Fachbegriffen konnten die armen Setzer nur sehr wenig anfangen, da diese in ihrem Arbeitsalltag keine Verwendung finden. Mit Umschreibungen klappte es gleich besser, aber eben nicht auf Anhieb und das wiederum gab natürlich keine volle Punktzahl. Dumm gelaufen!

Am Ende kam jedenfalls genau das raus, was sowohl die Mitarbeiter, als auch ihre Gruppenleiter bereits vorher wussten: jeder kann mit den Programmen umgehen, mit denen er arbeitet oder sich in seiner Freizeit beschäftigt. Das hätte man sicher auch über eine kleine Umfrage herausfinden können.

Was hat's also gebracht?
Der Firma Bayerndruck einen dicken, fetten Verdienst. Wieviel genau werden wir wohl nicht erfahren.
Der Beck'schen ein Loch im Geldbeutel – das hätte für viele Essensmarken gereicht.
Den betroffenen Mitarbeitern jede Menge Aufregung und Stress und auch schon einige Schulungen:
Schulung Nr. 1 – Grundlagenkurs für Druckinteressierte.
Ein gut geführter Rundgang durch die Druckerei hätte es auch getan.
Schulung Nr. 2 – Alle können jetzt das Bild einer Plastikente in ein Foto platzieren, falls sie es inzwischen nicht wieder vergessen haben.
Gezielte Schulung bei Bedarf wäre effektiver und kostengünstiger gewesen.

Weiterbildung ist eine feine Sache, das steht außer Frage, doch man sollte dabei nicht den Kosten-/Nutzenfaktor außer Acht lassen.

Mittlerweile gibt’s allerdings die ersten Abweichungen vom Plan: es werden nicht mehr alle Gescannten geschult. Für die kommende InDesign-Schulung stehen nun auch Auszubildende auf der Teilnehmerliste und für kurze Zeit war dort lustigerweise sogar der Name des stellvertretenden Abteilungsleiters zu lesen. Vielleicht ein Versehen? Egal!

Hauptsache, jeder kann alles (wenn auch nur theoretisch).
Koste es, was es wolle.
Geld ist schließlich genug da.
Wundersame Beck'sche Welt!


4 Kommentare:

  1. Ich sehe gerade keinen Zusammenhang mit der Tarifflucht oder wo ist da jetzt der Haken, den ich überlesen habe?

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    1. Kein Haken weil kein direkter Zusammenhang.
      Es geht im Blog ja nicht ausschließlich um die Tarifflucht, sondern auch um die allgemeine Situation im Betrieb.

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  2. Nun ist es also so weit: welch erschreckend rasante Abwärtsentwicklung hier im Hause Beck. Ich traute meinen Augen kaum, als mir bewusst wurde, was da am Schwarzen Brett ausgehängt war: Samstag wird jetzt bis 21 Uhr (!!!) gearbeitet und zusätzliche Sonntagsschichten gehören langsam zum Alltag. Entschuldigung, aber ich finde das empörend, dass nach all den Kürzungen, die uns widerfahren sind, nach all den Lügen, die uns aufgetischt wurden und weiterhin werden, der Betriebsrat Überstunden bis Samstagabend 21 Uhr genehmigt und offensichtlich auch kein Problem damit hat, dass 6 Nachtschichten in einer Woche gearbeitet werden sollen. Lieber Betriebsrat, was ist euch da bloß eingefallen. Ich würde das ja gerne mal mit dem amtierenden BR-Vorsitzenden bequatschen, aber gibt’s den noch?

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  3. Wieso immer auf den Betriebsrat los gehen die Leute könnten auch nein sagen aber zurzeit bei uns nein sagen ist so eine Sache

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