Wie die
Belegschaft bei der Verpackungsfirma Freund in Nordhausen den Tarifvertrag
durchsetzte
Die jüngste DRUCK+PAPIER steckte kaum im Briefkasten, da meldete sich André
Jäger. »Mit großem Interesse und auch ein bisschen Begeisterung habe ich euren
Aufruf in der neuen DRUCK+PAPIER gelesen. Das ist wirklich ein toller Vorstoß
und ich möchte gleich etwas beisteuern.« Wir hatten die Leser/innen
aufgefordert, uns Themen zu schicken, die wir recherchieren. Ist der Beitrag
für viele interessant, wird der Text veröffentlicht.
André Jäger hat schon in etlichen Betrieben als Drucker gearbeitet. Aber
»in fast 20 Arbeitsjahren bin ich noch nie in den Genuss des Tariflohns
gekommen.« Wie kommt man raus aus der Tariflosigkeit? Wie wird eine Belegschaft
so stark, dass sie Veränderungen erreichen kann? Das möchte er von DRUCK+PAPIER
wissen.
Detlef Kreiter hat einen nach dem anderen für ver.di geworben. Nach fünf
Jahren war es geschafft: Es gibt einen Haustarifvertrag.
Kaum ein Mitglied
Das hat sich auch Detlef Kreiter gefragt. Er ist Versandleiter bei der
Verpackungsfirma Freund im thüringischen Nordhausen. Dort war die Belegschaft
unzufrieden: dauernde Wochenendarbeit, unregelmäßige Schichten, eine
40-Stunden-Woche, nur vier Wochen Urlaub, kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld
und schlechte Bezahlung. Die meisten der damals etwa 70-köpfigen Belegschaft
verdienten um die 8,50 Euro, mal etwas mehr, mal etwas weniger. Den
gesetzlichen Mindestlohn gab es noch nicht.
Der Unterschied zum Tarifvertrag der Papierverarbeitung hätte kaum größer
sein können. Wie sollte es gelingen, den Eigentümer zu Tarifverhandlungen zu
bewegen? Zumal fast niemand Mitglied der Gewerkschaft war. Außer Detlef Kreiter
war nur noch ein Kollege bei ver.di organisiert. Doch der blieb lieber
unerkannt. Sieben Jahre ist das her.
Heute gilt ein Haustarifvertrag. Drei Viertel der Beschäftigten sind
Mitglied bei ver.di. Dazwischen lagen mehr als fünf Jahre Überzeugungsarbeit:
reden, werben, verhandeln. Allein die Verhandlungen mit der Geschäftsführung
hatten zwei Jahre gedauert, hinausgezögert von den gegnerischen Anwälten,
blockiert durch den Wechsel von drei Geschäftsführern. Die Firma Freund war
zwischenzeitlich von der Weig-Gruppe übernommen worden.
Zurück ins Jahr 2010. Aus dem Stammsitz der Firma Freund im
niedersächsischen Georgsmarienhütte waren Gerüchte nach Thüringen geschwappt.
Unternehmensberater wären dort im Betrieb. Von Personalabbau war die Rede, die
Standorte Krefeld und Dresden wurden geschlossen. Der Berater, den ver.di zur
Unterstützung für Georgsmarienhütte hingezogen hatte, riet den Thüringern: »Ihr
müsst rein in ver.di!«
Du, wir brauchen dich
Dem Rat ist Detlef Kreiter gefolgt. Einen nach dem anderen wirbt er für die
Gewerkschaft, damals noch als Betriebsratsvorsitzender, später als
Tarifkommissionsmitglied, heute macht er als Vertrauensmann weiter. Er ist auf
die Kolleg/innen im Betrieb zugegangen, offen, ohne sich zu verstecken, du, wir
brauchen dich. Stur sei er, zäh und hartnäckig, sagt Monika Helfensritter von
ver.di in Erfurt.
»Mehr als fünf Jahre haben wir im Landesfachbereich daran gearbeitet, dass
die Belegschaft heute einen Tarifvertrag hat.« ver.di lud zu
Mitgliederversammlungen ein, wählte eine Tarifkommission, schulte die
Mitglieder. Doch erst als die Belegschaft zwei Stunden lang die Arbeit
niederlegte, hat die Geschäftsleitung den Haustarifvertrag unterzeichnet.
Arbeitszeit, Jahressonderzahlung und Lohn werden stufenweise verbessert.
2019 gibt es die 37-Stunden-Woche und die tarifliche Jahressonderzahlung von 95
Prozent; 30 Urlaubstage sind schon nächstes Jahr fällig. Dann gibt es auch den
vollen Tariflohn. Ein Erfolg, sagt Monika Helfensritter. Stimmt, pflichtet ihr
Detlef Kreiter bei. Allerdings ärgert ihn eines maßlos: Dass Kollegen, die
nicht in ver.di eintreten, dennoch Tarifleistungen erhalten.
Gesprächsstoff
André Jäger wird die aktuelle DRUCK+PAPIER im Betrieb verteilen. Denn wenn
etwas drinsteht über die Situation in anderen Betrieben, dann sei das am
nächsten Tag Thema bei den Kolleg/innen. »Die Zeitung hat das Potenzial zum
Aushängeschild der Gewerkschaft zu werden.«
Text: Michaela Böhm; Foto: privat
Wenn ihr selbst ein Thema habt – schreibt uns:
Ihr bestimmt, wir recherchieren. drupa@verdi.de
Ich gehe mal davon aus, dass die dortige GL und deren Führungskräfte bei uns Beschäftigten nicht so mit Arbeitsplatzverlust hausieren gegangen sind, wie bei uns in der Beck'sche.
AntwortenLöschenUnsere hochdotierten Bosse sind halt hier einfach Spitze!
Im Druck ist es eben nicht mehr einfach! Nenne mir eine Druckerei, die derzeit in Deutschland noch Arbeitsplätze ausbaut!? Da wird derzeit überall abgebaut und wenn Ihr bei Beck noch Prämien ausbezahlt bekommt...
AntwortenLöschenEuer Jammern ist nicht nachvollziebar!